Prof. Dr. Bernhard Heininger, Lehrstuhl für Ntl Exegese WiSem 2016/17: Paulinische Anthropologie (Texte) 1. 1 Thess 5,23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre vollständig euren Geist (πνεῦμα), Seele (ψυχή) und Leib (σῶμα) bei der Parusie unseres Herrn Jesus Christus. 2. 1 Kor 14,35-49 35 Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt? Mit welchem Leib (σώματι) kommen sie? 36 Tor, du! Was du säst, wird nicht lebendig gemacht, wenn es nicht (zuerst) stirbt. 37 Und was du säst, nicht den Leib (σῶμα), der entstehen wird, sondern ein nacktes Samenkorn, wenn es sich trifft, von Weizen oder einer der übrigen (Pflanzen). 38 Gott gibt ihm einen Leib (σῶμα), wie er wollte, und zwar einem jeden der Samen einen eigenen Leib (σῶμα). 39 Nicht jedes Fleisch (σάρξ) ist dasselbe Fleisch (σάρξ), sondern anders ist das der Menschen, anders das Fleisch (σάρξ) der Haustiere, anders das Fleisch (σάρξ) der Vögel, anders das der Fische. 40 Auch gibt es Himmelskörper (σώματα ἐπουράνια) und irdische Körper (σώματα ἐπίγεια). Aber anders ist der Glanz (δόξα) der himmlischen (Körper), anders der der irdischen. 41 Anders ist der Glanz der Sonne, anders der Glanz des Mondes, anders der Glanz der Sterne. Ein Stern unterscheidet sich von einem (anderen) Stern durch (den) Glanz. 42 So ist es auch mit der Auferstehung der Toten. Gesät wird in Vergänglichkeit (ἐν φθορᾷ), auferweckt in Unvergänglichkeit (ἐν ἀφθαρσίᾳ). 43 Gesät wird in Unehre (ἐν ἀτιμίᾳ), auferweckt wird in Herrlichkeit (ἐν δόξῃ). Gesät wird in Schwachheit (ἐν ἀσθενείᾳ), auferweckt wird in Kraft (ἐν δυνάμει). 44 Gesät wird ein psychischer Leib (σῶμα ψυχικόν), auferweckt wird ein pneumatischer Leib (σῶμα πνευματικόν). Wenn es einen psychischen Leib (σῶμα ψυχικόν) gibt, gibt es auch einen pneumatischen (πνευματικόν). 45 So ist auch geschrieben: Es wurde der erste Mensch Adam zu einer lebendigen Seele (εἰς ψυχὴν ζῶσαν), der letzte Adam zu einem lebendigmachenden Geist (εἰς πνεῦμα ζῳοποιοῦν). 46 Aber nicht zuerst das Pneumatische, sondern das Psychische, (erst) darauf das Pneumatische. 47 Der erste Mensch (ist) aus staubiger Erde (ἐκ γῆς χοϊκός), der zweite Mensch aus dem Himmel (ἐκ οὐρανοῦ). 48 Wie beschaffen der Staubige (ist), so be-
Heininger, Paulinische Anthropologie: Texte 2 schaffen (sind) auch die Staubigen, und wie beschaffen der Himmlische, so beschaffen auch die Himmlischen. 49 Und wie wir das Bild des Staubigen trugen, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen. 3. Aus dem 2. Korintherbrief a) 2 Kor 4,7-10 7 Wir alle haben diesen Schatz in tönernen Gefäßen (ἐν ὀστρακίνοις σκεύεσιν), damit das Übermaß der Kraft (τῆς δυνάμεως) Gottes sei und nicht aus uns. 10 Allezeit tragen wir nämlich das Sterben Jesu an unserem Leib (ἐν τῷ σώματι) umher, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib (ἐν τῷ σώματι) offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden immer dem Tod überliefert wegen Jesus, damit auch das Leben Jesu offenbar wird an unserem sterblichen Fleisch (ἐν τῇ θνητῇ σαρκί). b) 2 Kor 4,16-18 16 Deswegen werden wir nicht müde, sondern wenn auch unser äußerer Mensch (ὁ ἔξω ἡμῶν ἄνθρωπος) zugrunde geht, aber unser innerer Mensch (ὁ ἔσω ἡμῶν) wird erneuert Tag für Tag. 17 Denn das augenblicklich Unbedeutende unserer Trübsal bewirkt uns ein jedes Maß sprengendes ewiges Gewicht der Herrlichkeit, 18 damit wir nicht nach dem Sichtbaren Ausschau halten, sondern nach dem Unsichtbaren. Denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare aber unvergänglich. c) 2 Kor 5,1-10 1 Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Zelthaus (ἡ ἐπίγειος οἰκία τοῦ σκῆνος) zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Haus in den Himmeln (οἰκίαν ἀχειροποιητον αἰώνιον ἐν τοῖς οὐρανοῖς). 2 Denn in diesem freilich seufzen wir und sehnen uns danach, mit unserer Behausung aus dem Himmel überkleidet zu werden, 3 insofern wir ja bekleidet, nicht nackt erfunden werden. 4 Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben. 5 Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat. 6 So [sind wir] nun allezeit guten Mutes und wissen, dass wir, während einheimisch im Leib, wir vom Herrn ausheimisch sind (ἐνδμοῦντες ἐν τῷ σῶματι ἐκδημοῦμεν ἀπὸ τοῦ κυρίου) 7 denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen ; 8 wir sind aber guten Mutes und möchten lieber ausheimisch vom Leib und einheimisch beim Herrn sein. 9 Deshalb setzen wir auch unsere Ehre darein, ob einheimisch oder ausheimisch, ihm wohlgefällig zu sein. 10 Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder empfange, was er durch den Leib [vollbracht], dementsprechend, was er getan hat, es sei Gutes oder Böses.
Heininger, Paulinische Anthropologie: Texte 3 4. Gal 5,16-18 16 Darum sage ich euch: Lasst euch vom Geist (πνεύματι) leiten, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches (σαρκός) nicht erfüllen. 17 Denn das Begehren des Fleisches richtet sich gegen den Geist, das Begehren des Geistes aber gegen das Fleisch; beide stehen sich als Feinde gegenüber, sodass ihr nicht imstande seid, das zu tun, was ihr wollt. 18 Wenn ihr euch aber vom Geist führen lasst, dann steht ihr nicht unter dem Gesetz. 5. Röm 7,7-25 7 Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde (ὁ νόμος ἁμαρτία)? Auf keinen Fall! Aber die Sünde (ἁμαρτία) hätte ich nicht erkannt wenn nicht durch (das) Gesetz (νόμος). Denn auch die Begierde (ἐπιθυμίαν) hätte ich nicht gekannt, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: "Du sollst nicht begehren!" 8 Die Sünde (ἁμαρτία) aber ergriff durch das Gebot (διὰ τῆς ἐντολῆς) die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot (χωρὶς νόμου ἁμαρτία νέκρα). 9 Ich aber lebte einst ohne Gesetz (χωρὶς νόμου); als aber das Gebot kam (ἐλθοῦσης τῆς ἐντολῆς), lebte die Sünde auf (ἁμαρτία ἀνέζησεν); 10 ich aber starb. Und das Gebot (ἐντολή), das zum Leben gegeben, gerade das erwies sich mir zum Tod. 11 Denn die Sünde (ἁμαρτία) ergriff durch das Gebot (διὰ τῆς ἐντολῆς) die Gelegenheit, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe. 12 Sodass das Gesetz (νόμος) heilig ist und das Gebot (ἐντολή) heilig und gerecht und gut. 13 Ist nun das Gute mir zum Tod geworden? Auf keinen Fall! Sondern die Sünde (ἁμαρτία), damit sie als Sünde (ἁμαρτία) erschiene, indem sie durch das Gute mir den Tod bewirkte, damit im Übermaß die Sünde sündig (ἁμαρτία ἁμαρτςλός) würde durch das Gebot (διὰ τῆς ἐντολῆς). 14 Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich (πνευματικός) ist, ich aber bin fleischlich (σάρκινός), unter die Sünde (ὑπὸ τὴν ἁμαρτίαν) verkauft; 15 denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus. 16 Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es gut ist. 17 Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde (ἡ οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ ἁμαρτία). 18 Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch (ἐν τῇ σαρκί μου), nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht. 19 Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. 20 Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde (ἡ οἰκοῦσα ἐν ἐμοὶ ἁμαρτία). 21 Ich finde also das Gesetz (νόμον), dass bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden ist. 22 Denn ich habe Gefallen am Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen (νόμῳ τοῦ θεοῦ κατὰ τὸν ἔσω ἄνθρωπον). 23 Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern (νόμον ἐν τοῖς μέλεσιν), das dem Gesetz meines Sinnes (νόμῳ τοῦ νοός) widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde (νόμῳ τῆς ἁμαρτίας), das in meinen Gliedern ist. 24 Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes? 25 Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! Also diene ich nun
Heininger, Paulinische Anthropologie: Texte 4 selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes (τῷ νοὶ δουλεύω νομῳ θεοῦ), mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde (τῇ σαρκὶ νόμῳ ἁμαρτίας). Vergleichstexte: Philo von Alexandrien 1. De opificio mundi 134f. ( Über die Erschaffung der Welt ) Hierauf sagt er: 'Gott bildete den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm, und blies ihm ins Angesicht den Hauch des Lebens'. Hiermit zeigt er ganz klar, dass ein sehr großer Unterschied besteht zwischen dem Menschen, der jetzt gebildet wurde, und dem der früher nach dem Ebenbild Gottes (κατὰ τὴν εἰκόνα θεοῦ) geschaffen war; denn der jetzt gebildete Mensch war sinnlich wahrnehmbar, hatte schon eine sinnliche Beschaffenheit, bestand aus Körper und Seele (ἐκ σώματος καὶ ψυχῆς συνεστώς), war Mann oder Frau (ἀνὴρ ἢ γύνη) und von Natur sterblich; dagegen war der nach dem Ebenbild Gottes geschaffene eine Idee oder ein Gattungsbegriff oder ein Siegel, nur gedacht, unkörperlich (ἀσώματος), weder männlich noch weiblich (οὔτ ἄρρεν οὔτε θῆλυ), von Natur unvergänglich. Er sagt aber, das Gebilde des sinnlich wahrnehmbaren Einzelmenschen sei aus irdischer Substanz und göttlichem Hauch zusammengesetzt (σύνθετον ἐκ γεώδους οὐσίας καὶ πνεύματος θείου); der Körper (σῶμα) sei dadurch entstanden, dass der Meister Erdenstaub nahm und eine menschliche Gestalt daraus bildete, die Seele (ψυχήν) aber stamme nicht von einem geschaffenen Wesen her, sondern vom Vater und Lenker des Alls; denn was er einblies, war nichts anderes als ein göttlicher Hauch (πνεῦμα θεῖον), der von jenem glückseligen Wesen zum Heile unseres Geschlechts hernieder kam, damit dieses, wenn es auch hinsichtlich seines sichtbaren Teiles sterblich ist, doch wenigstens in seinem unsichtbaren Teil die Unsterblichkeit besitze. Darum kann man eigentlich sagen, dass der Mensch auf der Grenze steht zwischen der sterblichen und der unsterblichen Natur, da er an beiden soviel, wie nötig ist, teilhat, und dass er zugleich sterblich und unsterblich geschaffen ist, sterblich in Bezug auf seinen Körper (κατὰ τὸ σῶμα), unsterblich hinsichtlich seines Geistes (κατὰ τὴν διάνοιαν). 2. Legum Allegoria 31f. ( Allegorische Erklärung der Gesetze ) 31 Und Gott bildete den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm, und blies ihm ins Antlitz den Hauch des Lebens, und so ward der Mensch zur lebenden Seele (Gen 2,7). Zwei Arten von Menschen (διττὰ ἀνθρώπων γένη) gibt es: der eine ist der himmlische (οὐράνιος ἄνθρωπος), der andere der irdische (ὁ γήϊνος). Der himmlische ist im Ebenbilde Gottes geschaffen (κατ εἰκόνα θεοῦ γεγονὼς) und deshalb ohne Anteil an allem Vergänglichen und Erdhaften überhaupt (φθαρτῆς καὶ συνόλως γεώδους οὐσίας ἀμέτοχος); der irdische ist aus einem auseinandergestreuten Stoffe (ἐκ σποράδος ὕλης), den die Schrift Staub (χοῦν) nennt, gestaltet worden. Deswegen heißt es von
Heininger, Paulinische Anthropologie: Texte 5 dem himmlischen nicht, dass er gebildet (οὐ πεπλάσθαι), sondern dass er nach dem Ebenbilde Gottes geprägt worden sei (τετυπῶσθαι), während der irdische ein Gebilde (πλάσμα), nicht eine Schöpfung (οὐ γέννημα) des Künstlers sei. 32 Unter dem aus Erde gebildeten Menschen haben wir den Geist (νοῦς) zu verstehen, der in den Körper (σώματι) eingeführt wird, aber noch nicht eingeführt ist. Dieser Geist (νοῦς) wäre nun tatsächlich erdhaft und vergänglich, wenn Gott ihm nicht die Fähigkeit wahren Lebens (δύναμιν ἀληθινῆς ζωῆς) einhauchte; erst dann wird er also nicht: wird er gebildet zu einer Seele (ψυχήν), und zwar nicht zu einer untätigen, eindruckslosen, sondern zu einer denkenden und wirklich lebenden, wie es heißt: 'zu einer lebenden Seele ward der Mensch'.