Johannes und die Synoptiker Protokoll der 13. Sitzung am 23.01.2008 1. Begrüßung 2. Besprechung des letzten Seminarprotokolls Zunächst wird auf einen Schreibfehler im Griechischen hingewiesen. Unter 3.2. findet sich das Wort χιλίαρχος mit χ nicht mit ξ. Danach geht der Seminarleiter auf den in Anmerkung 7 genannten Michael Rostovtzeff und seinen Aufsatz Οὖς δεξιὸν ἀποτέµνειν ein. In dieser Anmerkung wurde die in der Vorstunde falsch zitierte These berichtigt. Der Seminarleiter weist darauf hin, dass alle, die eine Seminarbeit schreiben wollen, ihm Bescheid sagen sollen. Außerdem sollen die Seminarteilnehmer einen Zeitrahmen nennen, in dem sie die Arbeit schreiben wollen und bis wann sie den Seminarschein brauchen. 1 3. Referat von Anna Verweyen: Die letzten 10 Minuten Bisher wurde folgendes besprochen: Einordnung, Gliederung, die Besonderheiten bei Johannes und was bei Johannes fehlt. 3.1. Unterschiede und Parallelen Kontext: Parallele: auch bei Mt und Mk folgt nach der Gefangennahme das Verhör. Unterschied: bei Lk wird zuerst das Ohr abgeschlagen. 1 Hinweis: Herr Pilhofer korrigiert nur in den Ferien.
2 Johannes und die Synoptiker Ort: Mk und Mt benennen den Ort der Gefangennahme, nämlich den Garten Gethsemane. Lk macht keine Ortsangabe. Bei Joh findet sich in 18,1 die Ortsangabe am Bach Kidron. 2 Judas: Joh 18,2 bekommt Judas den Beisatz, der ihn überlieferte (Parallele bei Mt 26,25 und Lk 22,39). Außerdem wird Judas als der Wegführer bezeichnet (Parallele bei Lk 22,47). Dass einem Knecht ein Ohr abgeschlagen wird, überliefern alle Evangelien. Allerdings ist es nur bei Joh 18,10 und bei Lk 22, 50 das rechte Ohr. 3.2 Vorstellung der Arbeiten von Manfred Lang 3 und Anton Dauer 4 Manfred Lang stellt dar, dass am Anfang der Textpassage einzelne Motive und am Ende große Teile mit den Synoptikern übereinstimmen. Er vermutet für Vers 1 3 Material aus der eigenen Gemeinde und mündliche Tradition, für Vers 4 9 einen redaktionellen Einschub des Verfassers, für Vers 10 Lukas und für Vers 11 Markus als Vorlage. Seiner Meinung nach benutzt Johannes die drei Synoptiker, um seine eigenen Intentionen in bekannte Geschichten einzukleiden. Laut Anton Dauer lassen sich zwar gleiche Motive bei Johannes und den Synoptikern erkennen, allerdings reicht das nicht für die Behauptung, Johannes hätte die anderen Evangelien in schriftlicher Form gekannt. Dauer nimmt an, dass nach der Publikation der synoptischen Evangelien diese ihrerseits die mündliche Tradition beeinflusst hätten, die Johannes seinerseits dann benutzt hat. Bei den Literaturangaben unbedingt den Untertitel sowie die Reihe mit nennen! 2 Zur Lage des Ölbergs schreibt Josephus in Bellum V 70:... der im Osten der Stadt gegenüberliegt und von ihr durch eine genau in der Mitte verlaufende tiefe Schlucht mit dem Namen Kidron getrennt ist. Im griechischen Original: κατὰ τὸ Ελαιῶν καλούµενον ὄρος, ὃ τῇ πόλει πρὸς ἀνατολὴν ἀντίκειται µέσῃ φάραγγι βαθείᾳ διειργόµενον, ἣ Κεδρὼν ὠνόµασται. 3 Manfred Lang: Johannes und die Synoptiker. Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18 20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund, FRLANT 182, Göttingen, 1999. 4 Anton Dauer: Die Passionsgeschichte im Johannesevangelium. Eine traditionsgeschichtliche und theologische Untersuchung zu Joh 18,1 19,30, StANT 30, München, 1972.
Protokoll der 13. Sitzung am 23.01.2008 3 4. Referat von Daniel Nötzold: Die Christologie im Johannesevangelium In diesem Referat beschäftigt uns zuerst die Frage nach doketischer bzw. antidoketischer Christologie bei Johannes und die Frage, inwieweit die Gnosis bei Johannes eine Rolle spielt. 4.1 Doketische Christologie Ausgelöst wurde diese Debatte durch eine These von Ernst Käsemann (vgl. Handout). Der Referent klärt zunächst den Begriff Doketismus und nennt einige Stellen für Jesus als Mensch und Jesus als unanfechtbarer Gott, um das duale Christusbild im Johannesevangelium darzustellen. Da diese Stellen aber Jesus sowohl als Menschen als auch als Gott zeigen, wertet sie der Referent nicht eigentlich als Belegstellen für den in der These genannten Doketismus. Der Referent stellt dar, dass das duale Christusbilds gnostisch 5 geprägt sein kann. 4.2 Antidoketische Christologie Die antidoketische Christologie soll an den Beispielen des Wunderwirkens Jesu, des Sakramentsverständnisses und dem Johannesprolog Joh 1,1 18 dargestellt werden. 4.2.1 Wunder Hier wie im folgenden ist durchweg das Handout des Referenten heranzuziehen. Die Einheit von Vater und Sohn in den Wunderdarstellungen sagt nichts Explizites gegen den Doketismus und löst so auch nicht das christologische Problem. 4.2.2 Sakramentsverständnis Die Taufe wird als legitime Fortsetzung des Wirkens Jesu und der Wandlung von Leib und Geist angesehen. 6 5 Herr Pilhofer merkt an, dass die Gnosis erst im 2. Jahrhundert ihren Ursprung hat und deshalb für das Johannesevangelium nicht relevant ist, auch wenn Theologen des 19./20. Jahrhunderts dies von einem andern Gnosis-Begriff her anders sahen. Die Gnosis kann also für das Referat außer Acht gelassen werden. 6 Schnelle, Udo: Das Evangelium nach Johannes, ThHK 4, Leipzig, 3. neubearbeitete Auflage 2004, S. 205.
4 Johannes und die Synoptiker 4.2.3 Prolog a) Übersetzung von Joh 1,1 18 1 Εν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος 1 Am Anfang war der Logos und der ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος. Logos war bei Gott, und Gott war der Logos. 6 2 οὗτος ἦν ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν θεόν. 2 Dieser war am Anfang bei Gott. 3 πάντα δι αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ χω- 3 Alles ist durch ihn geworden und ohρὶς αὐτοῦ ἐγένετο οὐδὲ ἕν, ὃ γέγονεν. ne ihn ist nichts geworden, was gemacht ist. 7 4 ἐν αὐτῷ ζωὴ ἦν, καὶ ἡ ζωὴ ἦν τὸ 4 In ihm war das Leben, und das Leben φῶς τῶν ἀνθρώπων war das Licht der Menschen. 5 καὶ τὸ φῶς ἐν τῇ σκοτίᾳ φαίνει, 5 Und das Licht leuchtet in der Finκαὶ ἡ σκοτία αὐτὸ οὐ κατέλαβεν. sternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. 6 ἐγένετο ἄνθρωπος, ἀπεσταλµένος 6 Es war ein Mensch, der von Gott geπαρὰ θεοῦ, ὄνοµα αὐτῷ Ιωάννης sandt war, sein Name war Johannes. 7 οὗτος ἦλθεν εἰς µαρτυρίαν, ἵνα 7 Dieser kam als Zeuge, um Zeugnis µαρτυρήσῃ περὶ τοῦ φωτός, ἵνα πάν- abzulegen über das Licht, damit alle τες πιστεύσωσιν δι αὐτοῦ. durch ihn glaubten. 8 οὐκ ἦν ἐκεῖνος τὸ φῶς, ἀλλ ἵνα 8 Jener war nicht das Licht, sondern er µαρτυρήσῃ περὶ τοῦ φωτός. sollte Zeugnis ablegen über das Licht. 9 ἦν τὸ φῶς τὸ ἀληθινόν, ὃ φωτίζει 9 Das war das wahre Licht, das jeden πάντα ἄνθρωπον, ἐρχόµενον εἰς τὸν Menschen erleuchtet, der in die Welt κόσµον. kommt. 10 ἐν τῷ κόσµῳ ἦν, καὶ ὁ κόσµος δι 10 Er 8 war in der Welt und die Welt αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ ὁ κόσµος αὐτὸν ist durch ihn geworden, aber die Welt οὐκ ἔγνω. erkannte ihn nicht. 11 εἰς τὰ ἴδια ἦλθεν, καὶ οἱ ἴδιοι αὐ- 11 Er kam in sein Eigentum, aber die τὸν οὐ παρέλαβον. Seinen nahmen ihn nicht an. 12 ὅσοι δὲ ἔλαβον αὐτόν, ἔδωκεν αὐ- 12 Allen aber, die ihn annahmen, gab τοῖς ἐξουσίαν τέκνα θεοῦ γενέσθαι, er Macht, Kinder Gottes zu werden, alτοῖς πιστεύουσιν εἰς τὸ ὄνοµα αὐτοῦ, len, die an seinen Namen glauben, 13 οἳ οὐκ ἐξ αἱµάτων οὐδὲ ἐκ θε- 13 die nicht aus dem Blut und nicht λήµατος σαρκὸς οὐδὲ ἐκ θελήµατος aus dem Willen des Fleisches und nicht ἀνδρὸς ἀλλ ἐκ θεοῦ ἐγεννήθησαν. aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. 14 καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐ- 14 Und der Logos wurde Fleisch, und σκήνωσεν ἐν ἡµῖν, καὶ ἐθεασάµεθα er wohnte unter uns, und wir sahen sei-
Protokoll der 13. Sitzung am 23.01.2008 5 τὴν δόξαν αὐτοῦ, δόξαν ὡς µονογε- ne Herrlichkeit, die Herrlichkeit des νοῦς παρὰ πατρός, πλήρης χάριτος eingeborenen Sohnes vom Vater, voll καὶ ἀληθείας. Gnade und Wahrheit. 15 Ιωάννης µαρτυρεῖ περὶ αὐτοῦ καὶ 15 Johannes legt Zeugnis über ihn ab κέκραγεν λέγων οὗτος ἦν ὃν εἶπον ὁ und rief: Dieser war es, über den ich ge- ὀπίσω µου ἐρχόµενος ἔµπροσθέν µου sagt habe: Nach mir wird kommen, der γέγονεν, ὅτι πρῶτός µου ἦν. vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 16 ὅτι ἐκ τοῦ πληρώµατος αὐτοῦ ἡ- 16 Denn aus seiner Fülle haben wir alle µεῖς πάντες ἐλάβοµεν, καὶ χάριν ἀντὶ genommen Gnade um Gnade. χάριτος 17 ὅτι ὁ νόµος διὰ Μωϋσέως ἐδόθη, 17 Denn das Gesetz ist durch Mose ἡ χάρις καὶ ἡ ἀλήθεια διὰ Ιησοῦ Χρι- gegeben, die Gnade und die Wahrheit στοῦ ἐγένετο. ist durch Jesus Christus geworden. 18 θεὸν οὐδεὶς ἑώρακεν πώποτε µο- 18 Niemand hat Gott je gesehen, der νογενὴς θεὸς ὁ ὢν εἰς τὸν κόλπον τοῦ Eingeborene, der Gott ist und in des πατρὸς ἐκεῖνος ἐξηγήσατο. Vaters Schoß ist, der hat [ihn uns] erklärt. b) Erklärung des Wortes Logos 9 [Der vom Referenten angeführte Lexikon-Artikel ist für diesen Zweck nicht geeignet. Ich habe daher diese Passage gestrichen. Für die folgenden Abschnitte verweist die Protokollantin durchweg ausschließlich auf das Handout des Referenten. P. P.] 5. Hausaufgabe Als Hausaufgabe für die kommende Sitzung ist Joh 20,1 18 zu übersetzen und eventuell schon mal die synoptischen Parallelen anzuschauen. 6 Simone Albert Hinweis: Wenn man in der Übersetzung»Logos«beibehält, muss man sich wegen des Genuswechsels, der wegen des neutrischen»das Wort«beim Übergang zu Jesus erforderlich würde, keine Sorgen machen. 7 Hier stellt sich die Frage, ob ὃ γέγονεν was gemacht ist zu Vers 3 oder 4 gehört, da Aland in seiner Ausgabe einen Punkt voransetzt. Herr Pilhofer verweist auf den Alandschen Aufsatz Über die Bedeutung eines Punktes (Kurt Aland: Über die Bedeutung eines Punktes. Eine Untersuchung zu Joh 1,3/4, in: ders.: Neutestamentliche Entwürfe, München 1979, S. 351 391). Allerdings soll dies hier nicht weiter vertieft werden, und wir einigen uns auf eine Zugehörigkeit zu Vers 3. 8 Subjekt ist hier wieder der Logos. 9 Fries, G.: Theologisches Begriffslexikon, Art. Logos, Wuppertal, 2000, S. 1928.